Zum Hauptinhalt springen

Kunst & Planung: eine besondere Beziehung

Ellen Blumenstein und Katja Aßmann im Gespräch über neue Perspektiven in der Planung durch künstlerische Interventionen.

Katja Aßmann (links) und Ellen Blumenstein (rechts) sprechen über Kunst im Freiraum © Frank Sperling

Unter Kuratorinnen

Katja Aßmann und Ellen Blumenstein im Gespräch über Kunst im öffentlichen Raum, die Beauftragung der ersten Werke für den Spreepark, das Besondere des Projekts und seine Herausforderungen.

In einem Werkstattverfahren wurden fünf künstlerische Konzepte von einem Fachbeirat ausgewählt, die permanent im Park installiert werden. Die Künstler*innen setzen sich intensiv mit dem Park auseinander, besuchen ihn über längere Zeiträume immer wieder und arbeiten eng mit den Landschaftsplaner*innen und anderen involvierten Akteur*innen zusammen. Die Künstler*innen und ihre Sichtweisen und Impulse fließen in die Infrastruktur des Parks ein.

Katja Aßmann betreut die künstlerische Entwicklung des Spreeparks seit Anfang 2018. Seit 2021 ist sie die künstlerische Leiterin des Spreepark Art Space. Sie hat Erfahrung mit Kunst, die nicht im Museum, sondern an anderen und manchmal auch ungewöhnlichen Orten platziert ist. Bevor sie zum Spreepark kam, hatte sie die künstlerische Leitung von Urbane Künste Ruhr inne sowie des ZKR – Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum.

Ellen Blumenstein betreute das Werkstattverfahren zusammen mit Katja Aßmann und Nina Mende kuratorisch. Von 2013 bis 2016 leitete sie das Berliner KW Institute for Contemporary Art, bevor sie nach Hamburg ging, um mit Imagine the City, einem Modellprojekt der HafenCity, kulturelle Anliegen enger mit Stadtentwicklungsprozessen zu verzahnen und Kunst einer diversen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie begleitet die Entwicklung des Spreeparks als kuratorische Beraterin.

Fragen und Funktionen

Katja Aßmann: Ellen und ich arbeiten beim Werkstattverfahren, mit dem wir die Werke der fünf Künstler*innen entwickeln, eng zusammen. Dabei geht es um die Frage, wie wir Kunst und Planung zusammen denken können. Wie nutzen wir den Umstand, dass wir Künstler*innen einladen konnten, bevor die Planung den vorgegebenen Rahmen definiert hatte? Hier kommen unsere Ansätze zusammen, weil wir uns beide fragen, wie Kunst sich in einem größeren Stadtentwicklungsprozess positionieren kann. Wie kann Kunst die Disziplinen Stadtplanung und Stadtmarketing produktiv ergänzen und in langfristigen Prozessen ihre Rolle finden, relevant sein und auch bleiben?

Ellen Blumenstein: Bevor ich nach Hamburg ging, habe ich meistens in/mit klassischen Kunstinstitutionen gearbeitet, und Kunst im öffentlichen Raum interessierte ich mich nicht sonderlich. Aber mein beruflicher Werdegang hat mich immer wieder an – reale oder virtuelle – Orte geführt, an denen Kunst auf andere gesellschaftliche Felder trifft, wo Kunst öffentlich wird. Im Zentrum steht für mich dabei immer wieder die Frage, welches Publikum oder welche Gruppe von Menschen die Projekte adressieren bzw. wen sie erreichen. Insofern sind mir diese Fragen schon immer sehr nah.

Katja und ich entwickeln beide Projekte, die Bestandteil stadtplanerischer Prozesse sind. Dadurch sind wir automatisch mit der Möglichkeit konfrontiert, dass Kunst für ökonomische Interessen und/oder das Stadtmarketing funktionalisiert wird. Aber diese defensive Haltung ignoriert die Chance, dabei andere, nicht konsumorientierte Perspektiven in den Stadtraum einzubringen.  

"Als Kuratorinnen übernehmen wir in diesem Prozess eine wichtige Vermittlungsaufgabe in alle Richtungen; wir fungieren quasi als Schnittstelle zwischen Politik, Planer*innen, Künstler*innen und Stadtgesellschaft."

Ellen Blumenstein

Katja Aßmann: Natürlich geht es uns nicht darum, den Spreepark mithilfe von Kunst noch ein bisschen hübscher zu machen und Plätze zu dekorieren. Unser Anliegen besteht unter anderem vielmehr darin, die Planungskultur mit den Mitteln von Kunst zu verändern. Wir sind davon überzeugt, dass wir gemeinsam mit den Künstler*innen diesen besonderen Ort um Blickwinkel ergänzen können, die sonst schlicht nicht vorkämen, und dass das Ergebnis für alle Nutzer*innen ein Gewinn sein wird – auch für die, die sich normalerweise nicht für Kunst interessieren.

Ellen Blumenstein: Als Kuratorinnen übernehmen wir in diesem Prozess eine wichtige Vermittlungsaufgabe in alle Richtungen; wir fungieren quasi als Schnittstelle zwischen Politik, Planer*innen, Künstler*innen und Stadtgesellschaft. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass unsere jeweiligen Arbeitsaufträge großes Potenzial haben. Wer beschäftigt sich schon ohne explizites Eigeninteresse systematisch mit der Funktion von öffentlich zugänglichen Räumen?

In Hamburg arbeite ich in einem sehr jungen urbanen Gefüge, während es im Spreepark um die Gestaltung von Natur geht. Diese Aufgaben sind praktisch grundverschieden, theoretisch müssen wir aber einen Umgang mit ganz ähnlichen Herausforderungen finden. Das macht für mich persönlich die Arbeit im Spreepark so produktiv. 

Katja Aßmann: Unsere Zusammenarbeit fängt eben nicht erst an, wenn wir die Künstler*innen auswählen und mit ihnen neue Werke entwickeln. Schon wenn wir eine Aufgabenstellung definieren, schaffen wir die Rahmenbedingungen für den Freiraum, der später für die Kunst zur Verfügung stehen wird, geben aber auch die funktionalen Parameter vor, die das Kunstwerk später auch erfüllen muss.

Kuratieren im Netzwerk

Katja Aßmann: Das Großartige am Kuratieren im Netzwerk ist die Möglichkeit, gemeinsam Strategien erarbeiten zu können. Mit Nina Mende haben wir die Parameter für das Werkstattverfahren und die Künstler*innenliste zu dritt entwickelt. Im Team musste sich jede von uns auf die Blickwinkel der anderen einlassen. Als wir beispielsweise darüber gesprochen haben, welche Funktionen die künstlerischen Konzepte erfüllen müssen, hat Ellen einen wichtigen Impuls gegeben. Die qualifizierenden Maßnahmen, denen die Werke gerecht werden müssen, beziehen sich in erster Linie auf die praktische Infrastruktur wie die Wegegestaltung, Aufenthalts- und Ruheorte oder die Müllentsorgung; irgendwo muss es dann meistens noch ein Wasserspiel geben. Alles Dinge also, die einen Park benutzbar machen. Als wir überlegt haben, wie wir diese Aufgabe an die Künstler*innen herantragen könnten, hat Ellen vorgeschlagen, auch weniger typische, aber potenziell ebenso praktische Nutzungen eines Parks einzubeziehen. Orte, an denen sich Kinder wie Erwachsene verstecken können, zum Beispiel, alternative Spielorte oder ein nicht-funktionales Leitsystem.
 

"Diese Kunst entsteht eben nicht im Atelier, sondern erprobt sich an und in der Wirklichkeit."  

Katja Aßmann

 

Ellen Blumenstein: Die Künstler*innen müssen Lust haben, sich auf einen komplexen und durchaus auch langwierigen Prozess einzulassen, sonst wird ein solches Projekt für alle zur Qual. Aber beispielsweise mit künstlerischen Mitteln über die Wegeführung nachzudenken, die vielleicht nicht in erster Linie zu einem Ziel führen, sondern selbst schon Erfahrungsort sind, finde ich in jedem Fall ein sehr lohnendes Unterfangen.

Katja Aßmann: So können wir unkonventionelle Aufgaben an die Künstler*innen herantragen. Also nicht „gestalte mir mal eine Parkbank”, sondern „denk mal darüber nach, wie die Menschen sich im Park aufhalten möchten und was wir anbieten können, um aus diesem Besuch ein besonderes Erlebnis zu machen”. Dann entsteht plötzlich viel mehr als ein Platz zum Sitzen, wir schaffen eine Atmosphäre. Dabei versuchen wir die Bürokratie der Planungsprozesse und der dazugehörigen Sprache, etwa in den genehmigungsrechtlichen Verfahren, von den Künstler*innen fernzuhalten. Aber gleichzeitig besteht die Arbeit genau im Aushandeln dieser Strukturen, ihrer Beschränkungen und Freiräume. Diese Kunst entsteht eben nicht im Atelier, sondern erprobt sich an und in der Wirklichkeit.
 

Fünf Künstler*innen

Katja Aßmann: Auf Empfehlung des Fachbeirates haben wir Verträge mit fünf Künstler*innen geschlossen, die diesen Weg mit uns gehen. Darauf freuen wir uns schon sehr.

Ellen Blumenstein: Das ist auch deswegen toll, weil man über den Spreepark und seine starke Publikumsorientierung viel mehr Menschen erreicht, als wenn wir beispielsweise Werke für einen Skulpturenpark in Auftrag geben würden.

Katja Aßmann: Ich möchte, dass alle Besucher*innen des Spreeparks eine Begegnung mit Kunst haben. Auch wenn sie das vielleicht manchmal im ersten Moment gar nicht merken oder die Projekte gar nicht als Kunst wahrnehmen. Aber dass etwas anders ist, das werden sie spüren.